Text: Claudia Sprengel
Am 10.2. diskutierten Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke (SPD), Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg Jens Graf, Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung Eberswalde Martin Hoeck (FDP) und Anke Robert (Sprecherin des FPR) über die politische Teilhabe von Frauen auf kommunaler Ebene.
Anlass war die Verhandlung des Parité-Gesetzes, das im Januar 2019 im brandenburgischen Landtag verabschiedet, im Oktober 2020 aber vom Landesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Vertreter*innen des Bündnisses für Parität, organisiert vom Frauenpolitischen Rat Brandenburg, versuchen seit dem Urteil neue Wege zu erschließen, wie Parität in Gesellschaft und Politik dennoch erreicht werden kann. Eines ist klar: eine gleichberechtigte Teilhabe an Entscheidungsprozessen ist der Demokratie förderlich.
Frau Liedtke betonte, dass sie trotz allem stolz auf die Schritte ist, die in Brandenburg gegangen wurden, und ist überzeugt, dass die Frage nach Parität dadurch in den öffentlichen Diskurs gebracht wurde. Sowohl Herr Graf als auch Herr Hoeck fühlten sich hingegen in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Sie führen ins Feld, dass der staatlich verordnete Weg der falsche sei. Es müsse hingegen eine Bewegung von unten geben.
Dem ist in zweierlei Hinsicht zu widersprechen: Zum einen gibt es in Deutschland seit über 100 Jahren das passive und aktive Wahlrecht. Die vermeintlich natürliche Entwicklung, dass es immer mehr Frauen in den Parlamenten und in politischen Funktionen gibt, je länger sie dabei sind, hat sich aber nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. Seit konservative und rechte Parteien stärker werden, ist die Anzahl von Frauen mit politischen Mandaten sogar wieder gesunken. In Brandenburg sind aktuell gerade mal ein Drittel der Abgeordneten im Landtag weiblich, in den kommunalen Vertretungen sind es nur 28 % und an der Spitze der Rathäuser von kreisfreien Städten und Landkreisen sind es sogar nur 11 %. Je ländlicher eine Region, umso weniger Frauen finden sich unter den Mandatsträger*innen wieder.
Zum anderen ist das Bündnis für Parität ein Bündnis von unten. Das Gesetz, das aus diesem Zusammenschluss heraus entstanden ist, kann also durchaus als „von unten gewachsen“ betrachtet werden. Hier arbeiten Frauen von verschiedenen politischen Ebenen und mit unterschiedlichen politischen Orientierungen zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen – gleichberechtigte politische Teilhabe.
Das weiterhin vorgebrachte Argument, die Chancengleichheit bestehe allein dadurch, dass Frauen wie Männer das Recht haben, sich zur Wahl zu stellen, missachtet gesellschaftliche Machtverhältnisse, die sich auch in Parteien wiederfinden. Frauen stellen sich zum einen seltener zur Wahl und haben zum anderen oft nicht die gleichen Chancen, von Netzwerken zu profitieren.
Jens Graf vom Städte- und Gemeindebund sagt dazu, dass die „Bereitschaft zu kandidieren unterschiedlich ausgeprägt“ sei. Dies ist auf dem ersten Blick richtig. Wenn man sich Aufstellungsveranstaltungen von Parteien anschaut, ist es meist schwieriger weibliche Kandidatinnen zu finden als männliche. Aber auch hier kann der Ist-Zustand nicht einfach als unveränderlich hingenommen werden. Es gibt genug Frauen, die politisch interessiert sind. Frauen engagieren sich viel ehrenamtlich in Vereinen, Kirche, spezifischen Initiativen. Die Frage ist also, warum seltener in Parteien?
Zum einen ist dies eine Frage der Kultur. Frauen leisten immer noch deutlich mehr Sorgearbeit als Männer. Das bedeutet auch, dass sie weniger Freizeit zur Verfügung haben. Engagement in der Kommunalpolitik bedeutet aber, dass man viel Freizeit in dieses Ehrenamt investieren muss. Hinzu kommt, dass Sitzungen zu Zeiten stattfinden, an denen keine Kinderbetreuung mehr angeboten wird. So ist es z.B. für Alleinerziehende kaum möglich, ein politisches Mandat wahrzunehmen. Hier muss es ausreichende und unbürokratische Angebote geben.
Kultur meint aber nicht nur, dass solche Hürden mitzudenken sind, sondern auch eine Änderung der Gesprächs- und Umgangskultur. Monologe zur Selbstdarstellung in kommunalen Gremien sind eine Raumnahme, die durch Geschäftsordnung und eine sensibilisierte Moderation abgemildert werden kann. Sexistischen Bemerkungen ist mit Regularien dagegen schwerer beizukommen. Hier gilt es auch über Netzwerke solidarische Unterstützung zu leisten, die über Parteigrenzen hinaus geht.
Apropos Netzwerke: Seilschaften in der Kommunalpolitik gehen oft über diesen Bereich hinaus. Man(n) kennt sich aus dem lokalen Fußballverein, vom Angeln oder dem Schützenfest. Der Stammtisch ist oft der Ort, wo Politik gemacht wird oder zumindest Vorgespräche entstehen – ein Gemeinsamkeits- und Gefälligkeitssystem. In diesen tauchen Frauen nicht auf, weil sie sich in anderen Netzwerken befinden.
Daher müssen zum anderen diese Netzwerke gestärkt werden. Frauen kennen viele andere Mütter: die Mitarbeiterinnen beim Bäcker, die Postbotin oder die Busfahrerin, die sie jeden Tag trifft. Nur weil es andere Netzwerke sind, sind diese nicht weniger wirksam. Frauen müssen nur lernen sie zu nutzen, zu organisieren und sich gegenseitig zu unterstützen.
Es ist wiederum falsch, jetzt zu versuchen, Frauen in die Politik zu „bekommen“, was eine sehr passive und wenig emanzipatorische Vorstellung ist. Frauen müssen nicht zur Politik und ihren Strukturen und Kulturen kommen, vielmehr muss sich Politik und alles, was damit zusammenhängt, an ALLE Menschen anpassen, die auch teilhaben sollen. Die politischen Strukturen sind über 150 Jahre lang in Männerhand gewesen, die politische Kultur ist von Männern geprägt und in einer Zeit entstanden, wo diese auch keine Verantwortung für Familie übernommen haben.
Anke Robert vom FPR bringt es auf dem Punkt, wenn sie sagt, „es muss auch die leise Politik geben, nicht nur die laute“. Frauen müssen sich also nicht den endlosen Sitzungsmarathons, Stammtischen und Revierkämpfen anpassen. Politik weiblicher zu machen, heißt auch sie offener für alle zu machen. Für Väter, Berufstätige, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund. Parität ist eine grunddemokratische Idee. Sie ist mehr als ein Gesetz und deshalb setzen wir uns weiter dafür ein, dass sie Realität wird.