Michendorf, an einem Dienstagabend im Mai. Es treffen sich Bürgermeisterin und Gleichstellungsbeauftragte, Ortsvorsteherin und Kreistagsmitglied, Bürgermeisterkandidatin und Verwaltungsmitarbeiterin, Parteimitglied und Parteilose.
Ist es ein Problem, wenn sich wieder nur Frauen über Quoten, Kinderbetreuung und den geringen Frauenanteil in der Kommunalpolitik unterhalten? Im Anschluss an die Präsentation der Studie „FRAUEN MACHT BRANDENBURG“ wird breit diskutiert:
Am 4. April wurde die “Kommunalstudie Brandenburg” durch das Ministerium des Innern und für Kommunales vorgestellt: jede dritte befragte Person mit einem kommunalpolitischen Amt oder Mandat wurde bereits mindestens einmal Opfer eines Angriffs in Form einer Beleidigung, Bedrohung, Sachbeschädigung oder körperlicher Gewalt. Erschreckend dabei ist, dass laut der Studie fast 44 Prozent der Angriffe aus dem kommunalpolitischen Raum selbst stammen. Die daraus resultierenden emotionalen und psychischen Folgen halten bei den Betroffenen häufig lange nach und fallen umso stärker aus, wenn die Täter:innen aus dem eigenen, bekannten politischen Umfeld kommen.
Der Anteil von Frauen an der Spitze von kommunalen Verwaltungen ist noch geringer als der Frauenanteil in den Parlamenten. Dabei liegt Brandenburg mit 19% an Bürgermeisterinnen sogar noch deutlich über dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 9%. Laut der Studie „Engagiert vor Ort – Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen“ (BMFSFJ, 2014) zeichnen sich hauptamtliche Kommunalpolitikerinnen durch eine hohe Qualifizierung, regionale Verwurzelung und ein großes Maß an politischem Engagement vor der Amtsübernahme aus.
„Wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem“, stellt Verena Letsch, Referentin des Frauenpolitischen Rats, in Bezug auf die Repräsentation von Frauen und Männern in der Brandenburger Kommunalpolitik fest. Wie kann es sein, dass Frauen seltener kommunale Führungsfunktionen einnehmen und eher in den Bereichen Soziales, Bildung, Umwelt und Stadtentwicklung statt in den Wirtschafts- und Finanzausschüssen anzutreffen sind?
Am 05. April stellen die Autorinnen Christiane Bonk und Sophie Obinger ihre Studie „Frauen. Macht. Brandenburg.“ vor, die in Kooperation mit dem Brandenburger Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung entstand.
Auch Brandenburgs Frauenministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen) ruft Frauen auf, sich politisch einzubringen und den Schritt in die Politik zu wagen. Eine bewährte Hilfestellung dafür sind Mentoring-Programme. Das parteiübergreifende Frauenmentoring-Programm von Frauen aufs Podium geht diesen April in die zweite Runde. Gesucht werden noch motivierte Mentorinnen und interessierte Mentees.
Kommt jetzt Rückenwind von der Bundesebene für die Parität?
Der am 16.03.2022 vom Bundestag angenommene Antrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Einsetzung einer Kommission zur Überarbeitung des Wahlrechts und der Parlamentsarbeit gibt Hoffnung.
Was verbindet Kommunalpolitikerinnen in Brandenburg? Wie füllen sie ihr Ehrenamt aus? Wie schaffen sie es, Beruf, Familie und die Ausübung des Mandats zu vereinen? Anlässlich des internationalen Frauentags lud die Landtagspräsidentin Frau Prof. Dr. Ulrike Liedtke zu einer Gesprächsrunde über die Erfahrungen der „Alltagsheldinnen und Lokalexpertinnen“ ein.
Eine reine Männerrunde wird auch die Stichwahl zum Landrat am 20.02. werden. Bereits am 06.02. hatten sich sieben männliche Kandidaten zur Wahl gestellt. Keine der angetretenen Parteien oder Wähler:innengruppen hatte eine Frau als Kandidatin ins Rennen um den Posten der:des Verwaltungschef:in geschickt.
„Auch erscheint zweifelhaft, ob der Verweis auf die Unterrepräsentanz von Frauen in den Parlamenten bereits ausreicht, um von einer „strukturellen Benachteiligung von Frauen in der Politik“ ausgehen zu können.“
(BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 06. Dezember 2021 – 2 BvR 1470/20 -, Rn. 49)
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts spricht eine deutliche Sprache. Das Hauptargument der Beschwerdeablehnung bezieht sich allerdings weniger auf den Inhalt, als auf die Begründung der Beschwerde. Diese sei unzureichend, um eine Grundrechtsverletzung darzulegen. Zudem seien die Länder in ihrer Verfassungsgebung weitgehend autonom. In der Beschwerde fehle außerdem eine ausreichende Begründung, inwiefern eine paritätische Besetzung des Parlaments und der Wahllisten zur Landtagswahl notwendig sei, um den „Anspruch auf Demokratie“ zu erfüllen. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer:innen sich nicht ausreichend mit dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation beschäftigt, wonach eine regional oder sonstige Zugehörigkeit (z.B. zu Parteien, Unternehmen, Gewerkschaften, Alters- oder Geschlechtergruppen) kein Kriterium darstellt, um die Wähler:innenschaft angemessen repräsentieren zu können.
Wo sind die Frauen in der Kommunalpolitik? Helge Oelert vom rbb-Inforadio hat sich auf die Suche gemacht. Der Frauenanteil auf der kommunalen Ebene ist auch in Brandenburg erschreckend gering. Im Barnim liegt er bei 30,4%. Der Weg für Frauen in die Politik gestaltet sich auch hier als schwierig. Seien es späte Sitzungszeiten, ein eher rauer Umgang miteinander und ein hoher Zeitaufwand, den das Ehrenamt als Kommunalpolitiker:in mit sich bringt.