Die Online Diskussion fand am 4. Dezember 2020 statt.
Text: Heidrun Szczepanski, Fördermitglied beim FPR
Wie verhindern wir die ‚geheimen Gärten der Nominierungen‘?
Maria Noichl, Abgeordnete des EU Parlaments, SPD
Vor wenigen Tagen erlebte ich eine lebhafte, mutmachende Online Diskussion zum ThemamParité in den Parlamenten, vom gleichnamigen Verein aus München. Gern teile ich die Eindrücke dieser abendlichen Debatte, in der zwei für Gleichstellung und Parité sehr engagierte Frauen starke inhaltliche Impulse setzten, Frau Maria Noichl und Frau Prof. Silke Laskowski. Letztere ist vielen von uns sicher bekannt, sie vertritt Verfassungsbeschwerden aus Bayern, Thüringen und Brandenburg vor dem Bundesverfassungsgericht in Sachen Parité-Gesetz.
Die Verfassungsgerichte der Länder Thüringen und Brandenburg haben den Gleichstellungsparagraphen des Grundgesetzes laut Prof. Laskowski ignoriert. Sie formulierte klar: Das Grundgesetz der BRD, hier Art. 3 Abs. 2, gelte auch für Bayern, Thüringen und Brandenburg. Es sei höherwertig gegenüber den Formulierungen in den jeweiligen Landesverfassungen. Insofern sei das Urteil des Brandenburger Verfassungsgerichts „desaströs“. Und das Thüringer Urteil sei „ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht“, indem es Landesrecht höher einstuft als Bundesrecht. Ein ausdrückliches Lob richtete sie an den Thüringer Landesfrauenrat für dessen Initiative nach der Urteilsverkündung: „Dank an euch Thüringer Frauen.“
Prof. Laskowski ist vorsichtig optimistisch, dass der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichtes im Sinne der Parität entscheidet. Zwei Richterinnen seien dem Thema gegenüber aufgeschlossen. Zudem erwägt sie eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und meinte, da sei am ehesten Bewegung zu erwarten. Ideal wäre, es gäbe ein europäisches, paritätisches Wahlrecht. Wird es aber auch so schnell nicht geben, weil Wahlrecht Ländersache ist. Womit wir wieder am Anfang wären.
Die Hälfte aller Länder dieser Welt haben paritätische Regelungen und Quoten, oder sogar Gesetze. Von einigen europäischen Ländern wissen wir das aus Frankreich, Belgien, Polen, Portugal, Kroatien, Griechenland, Spanien, Irland, Slowenien, Italien (regional), auch auf dem afrikanischen Kontinent vereinzelt, Tunesien und Senegal zum Beispiel. Warum tut sich Deutschland gut 100 Jahre nach dem hart erkämpften Frauenwahlrecht so schwer, ein paritätisches Wahlrecht zuzulassen? Was ist zu befürchten? Machtverlust der Männer – auf eine einfache Formel gebracht.
Frau Prof. Laskowski brachte in der Diskussion einen weiteren Aspekt ein: Auch auf der Ebene des Kommunalwahlrechts sollte man aus dem Ehrenamt raus. Zum einen werden die Aufgaben vielfältiger und anspruchsvoller, das ist in der Freizeit kaum noch zu leisten. Von Frauen, die in den meisten Fällen auch familiär den größten Brocken stemmen, schon gleich gar nicht. Und Männer nutzen Kommunalparlamente oft als Sprungbrett für den Aufstieg in die „Berufspolitik“. Dann brauchen Frauen auch hier gleiche Chancen.
Wir brauchen Parité-Demokratie – nur dann sind gewählte Gremien auf allen Ebenen legitimiert, die Interessen aller Bürger*innen zu vertreten.
Maria Noichl, Abgeordnete des EU Parlaments, SPD
Damit wir das schaffen, brauchen wir Frauen noch mehr Solidarität untereinander, auch international und wir müssen immer wieder und lautstark für Empörung sorgen, so der Tenor im Meeting. Berührt hat mich das Plädoyer von Maria Noichl, die mit eindrucksvollen Worten den Kampf der ukrainischen Frauen würdigte, der unter ungleich schwierigeren Bedingungen stattfindet als bei uns und sie spannte den Bogen zu den polnischen Frauen, die so vehement gegen das Abtreibungsgesetz eintreten.
Gerade hat das Thema Parität gut Platz gefunden in der öffentlichen Diskussion und wird auch von Medien positiv präsentiert. Mit Blick auf die Bundestagswahl und einige Landtagswahlen im nächsten Jahr heißt es „Dranbleiben am Thema“, um es vielfältig und kreativ zu befeuern. Da sind wir in Brandenburg gut aufgestellt, nicht zuletzt durch das Bündnis für Parität in Brandenburg beim FPR und dessen sehr gute Öffentlichkeitsarbeit. Ich lasse zum Schluss nochmal Maria Noichl sprechen.
Greifen wir die Männer an der Stelle an, wo es am meisten weh tut – an der Brieftasche.
Maria Noichl, Abgeordnete des EU Parlaments, SPD